| von Ulrich P. Trappe |
Dogmatik
- Offenheit, Kategorien - Möglichkeit
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Dogmatik, dieses vorbelastete Unwort auf das Werk Ernst Blochs anzuwenden, scheint zunächst verkehrt. Hat doch der Philosoph der "Objektiven Phantasie" zeitlebens nach "offener Adäquatheit" (PH 334-368) geforscht, "Offenes im Realen" (PAO 412-627) vermutet, den "Zugang fürs Offene"(TE 210-212) grundlegend erschlossen. Die Kategorien Novum und Horizont (PH 224-258), vor allem die der Möglichkeit (PH 258-288) mit nachfolgender Analyse der Weltveränderungs-Thesen von Marx über Feuerbach (PH 288-334) sollten dem Vordenker der Utopie (Konkrete Utopie, GU) jene "systemhafte Offenheit" (SO 472) und "Flüssigkeit des Begriffs" erhalten, welche er bei Hegel, letztlich zum enzyklopädischen Pan gerundet, schließlich sogar bei Marx, stalinistisch dogmatisiert, vermisste. Aber die Neigung zum "Prinzip" zur "Grundlegung"(PH 49-391), zur Kategorienlehre (EM), überhaupt zum strengeren, auch angestrengten Begriffsgebrauch belegt, dass eine dimensionierende, objektivierende, manifestierende, kommunizierende, realsierende Geheim-Dogmatik (EM ab 83) das Werk wie Heiliger Geist durchweht, mit Auszugs-Figuren. Erkenntnis-Exodus aus der Fremde. |
Dogmatik als Wehr gegen die Skepsis
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Dogmatik bemühte sich in der griechisch-römischen Philosophie, Grund- und Lehrsätze der Denk-Systeme gegen Skeptizismus, in der verwissenschaftlichten Neuzeit gegen methodischen Zweifel (Descartes) und Kritik (Kant, Hegel, Marx) zu behaupten. Im Glaubenssystem jüdisch-christlicher Herkunft versuchten Rabbiner, Krchenväter, Theologen, Exegeten die Wahrheit göttlicher Offenbarung gegen Verfälschung und feindliche Übernahme durch explizite Dogmatisierung zu schützen. Dieser Prozess war seitens der Dogmatik vor allem im Verein mit herrschenden Mächten durch Argmentationsschwäche, Begründungsdefizite, im Härtefall sogar durch Starrsinn, Verfolgungswahn, Grausamkeit gekennzeichnet. Umgekehrt vergaßen Skepsis, Zweifel, Kritik, am Ende theoretische Negation sowie praktische Revolution (Oktoberrevolution), dass sie sich oft dogmatischer, unduldsamer, unmenschlicher gebärdeten als ihre System-Gegner. |
Dogmatik als Invarianz der Richtung |
Zur Wahrheit, zum Wahrheitsbegriff hat der Universal-Utopiker Ernst Bloch kein dogmatisches, aber ein ungebrochenes, ungespaltenes Verhältnis. Zentral ist ihr Verhältnis zur "Freiheit" (PAO 573-598), zur "Weisheit" (PAO 224-411) sowie zur Praxis, "solidester Beweis der Wahrheit, contra Nihilismus (EM 248-253). Dogmatik beweist Bloch im beharrenden Sinn mit dem Gedanken der "lnvarianz der Hoffnung", von welcher Adorno sagt, sie sei kein Prinzip (Noten zur Literatur II, 148). Glaube und Liebe spielen bei Bloch keine prinzipiell-kategoriale Rolle, dafür links-aristotelische Überlegungen über Materie "als Schoß der Formen, als Prinzip der lndividuation und Quantität" (MP 152-164) Konkret-Logisches und Kategorien werden "als Dialektisch-Materielle Entfaltungen des Anstoß-lnhalts" (EM 76-79) begriffen, was Real-Dogmatik des Weltexperiments und bei Bloch eine "Metaphysik unseres Dunkels" (GU 237-287) erzwingt. Schöpfung und Apokalypse gelten Bloch als "Konträre Prinzipien in der Bibel" (AC 59-64). Denknotwendig ist das "Himmelreich" (GU 343f). |