Georg Lukács' Geschichte und Klassenbewußtsein

Nachtrag zum Jubiläumsjahr 1998

Wir wollen nicht versäumen, auf ein wichtiges Jubiläum hinzuweisen: Vor 75 Jahren, also 1923, ist ein Buch erschienen, das auf das philosophische Denken des 20. Jahrhunderts großen Einfluß ausübte: Georg Lukács' Geschichte und Klassenbewußtsein.

Herrn Dr. Rüdiger Dannemann von der Internationalen Georg-Lukács-Gesellschaft sei hiermit herzlich für seinen Hinweis gedankt, der nun wenigstens zu diesen wenigen Zeilen den Anstoß gegeben hat. Die Bedeutung von Geschichte und Klassenbewußtsein für Ernst Bloch ist nicht hoch genug einzuschätzen. Obwohl später die bekannten Differenzen zwischen Lukács und Bloch aufkamen, zählte Bloch Lukács' Esssaysammlung zu den wichtigsten Dokumenten eines neu zu denkenden Marxismus.

Wenig bekannt ist, worauf Erdmut Wizisla in seinem Beitrag im Bloch-Almanach 10/1990 hingewiesen hat, daß Vertreter dieses "westlichen" Marxismus, insbesondere Brecht und Benjamin, aber auch Bloch war daran beteiligt, planten, 1931 eine Zeitschrift im Rowohlt-Verlag herauszubringen; der Titel sollte Krise und Kritik lauten. Absicht war, "die bisher leere Stelle eines Organs ein(zu)nehmen, in dem die bürgerliche Intelligenz sich Rechenschaft von den Forderungen und den Einsichten gibt, die einzig und allein ihr unter den heutigen Umständen eine eingreifende, von Folgen begleitete Produktion im Gegensatz zu den üblichen willkürlichen folgenlosen gestatten." Bloch berichtet, die Zeitschrift sollte eine 'Zeitschrift für Kulturbolschwismus' sein, wobei man unter 'Kulturbolschewismus' damals "das Bauhaus; Gropius und alles, was eben da gut und teuer und fremdartig und sonderbar war und epatierend" verstand.

Wie Wizisla schreibt, war Blochs Beitrag auf einer Redaktionssitzung "knapp, aber kennzeichnend": "Brecht, dem sehr an der Erarbeitung von Bewertungskriterien für das Denken gelegen war, schlug als Thema vor: 'Wie wird denn überhaupt wissenschaftlich gedacht?' 'Bloch: erwidert darauf, daß in den verschiedenen Wissenschaften verschieden gedacht wird.' Den dieser Replik unmittelbar fogenden Themenvorschlag 'Über das Klassendenken' dürfte Bloch eingebracht haben, denn er ergänzte dazu: 'Wie hoch reicht da das Klassenbewußtsein hinein?' Und es war wohl auch Bloch, der dieser Frage eine weitere Anregung folgen ließ: 'Über das Buch von Lukács(!): Geschichte und Klassenbewußtsein ein Referat schreiben, s e h r   w i c h t i g , aber nichts für das erste Heft.' Die sieben Jahre nach Erscheinen von Geschichte und Klassenbewußtsein zunächst überholt wirkende Idee wird durch die heftige Attacke begreifbar, die von seiten der Kommunistischen Partei gegen das Buch geführt wurde. Bloch war - wie auch Benjamin im Jahr zuvor - nicht bereit, die Ablehnung des Buches zu respektieren." Leider ist von Krise und Kritik kein einziges Heft erschienen.

Der Aufsatz über Geschichte und Klassenbewußtsein ist in den Philosophischen Aufsätzen der Gesamtausgabe zu finden. Geschichte und Klassenbewußtsein wird das Schwerpunktthema des Lukács-Jahrbuches 1999 sein. InteressentInnen wenden sich bitte an Dr. Rüdiger Dannemann, 45130 Essen, Elfriedenstraße 22, Tel. 02333/860541, eMail: achimschae@gmx.de.

 
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Doris
Zeilinger
 
 
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